Am 4. Oktober 1957 begann mit dem Start von Sputnik, dem ersten künstlichen Erdsatelliten, nicht nur das Zeitalter der Raumfahrt, sondern auch das des Weltraummülls. Nach nun bald 55 Jahren menschlicher Aktivität im Erdorbit stellt diese stetig wachsende Menge an Weltraummüll schon längst ein großes Problem für aktuelle und zukünftige Raumfahrtmissionen dar. Dabei gefährdet der Weltraummüll nicht nur bemannte Raumfahrzeuge, sondern vor allem andere intakte Satelliten, insbesondere jene auf für Erdbeobachtungsmissionen wichtigen Orbits. Die Hauptquelle für diesen Weltraummüll sind ausgediente und sich selbst überlassene Satelliten. Das Problem wird außerdem noch dadurch verstärkt, dass aufgrund von Kollisionen zwischen Weltraumschrottteilen mit einer extrem hohen typischen Relativgeschwindigkeit von mehreren Tausend Kilometern pro Stunde, die Anzahl der Schrottteile, selbst ohne weitere Raumfahrtaktivitäten, auch in der Zukunft weiter zunehmen wird. Dieser Schneeball-Effekt wird als Kesslersyndrom bezeichnet.
Die Zahl der Teile, die größer als ein Zentimeter sind, wird derzeit auf ca. 600000 geschätzt. Zur Zeit befinden sich ca. 5500 Tonnen Weltraumschrott in niedrigen Erdorbits (LEO, <1000 km), mit einer jährlichen Zunahme von ca. 5% . Dort befinden sich auch etwa 90% aller Satelliten.
Mittlerweile wird von neuen Satelliten gefordert, dass ihre Verweilzeit im Orbit nach Missionsende 25 Jahre nicht überschreitet. Um diese Forderung erfüllen zu können, ist die Entwicklung neuer De-orbit-Technologien notwendig.
Um dem Problem des Weltraummülls entgegen zu wirken, werden heutzutage bei allen modernen Raketen die in die Umlaufbahn gelangenden Stufen mit Hilfe einer zusätzlichen Triebwerkzündung wieder abgebremst, um sie in der Atmosphäre verglühen zu lassen.
Satelliten im geostationären Orbit (GEO) werden aus energetischen Gründen in der Regel auf einen so genannten Friedhofsorbit angehoben.
In niedrigen Erdorbits besitzt die Erde noch genug Atmosphäre, damit der aerodynamische Widerstand auf einen Satelliten für eine Beschleunigung des De-orbitierens genutzt werden kann, ohne dass dafür zusätzlicher Treibstoff verwendet werden muss.
Durch den Einsatz eines Widerstandssegels nach Missionsende des Satelliten kann dieser aerodynamische Widerstand erhöht werden. Nach theoretischen Überlegungen gelänge die De-orbitierung von einem 4 kg schweren Satelliten in einem 800 km hohen Orbit mit einem 5m² großen Widerstandssegel innerhalb von maximal 7,5 Jahren.
Am Institut für Leichtbau (ilb) der RWTH Aachen hat sich Herr Dipl. Ing. Patric Seefeldt bereits ausgiebig mit der Theorie verschiedener De-orbit-Strategien befasst [1]. Zudem hat Herr Seefeldt einen ersten Demonstrator für ein Widerstandssegel von 5 m² und dessen Entfaltungsmechanismus konzipiert und gebaut. Diesen Mechanismus zur Einsatzreife für einen Kleinsatelliten zu bringen, ist nun das Ziel am ilb.
Leider wurden bis heute nur sehr wenige Erfahrungen mit der Entfaltung von solchen großen Leichtbau-Strukturen wie der eines Widerstandssegels unter Weltraumbedingungen gemacht. Einige Mitglieder unseres Teams befassen sich seitdem mit dieser Problematik. In diesem Kontext ist die Idee zu unserem Experiment EDOD (Experimental Deployment Of a Dragsail) entstanden. Der Start auf der Spitze einer Orion-Rakete auf eine Bahn-Gipfelhöhe von über 100 km gibt uns nun die Möglichkeit, die Entfaltung und den Mechanismus für ein Segel von 5 m² Größe unter realistischen Bedingungen, d.h. ohne Störeinflüsse durch Gravitation und Luftwiderstand, zu untersuchen.
Die Wirkung des Segels im Sinne eines Widerstandssegels zur De-orbitierung eines Satelliten soll hierbei jedoch nicht untersucht werden, da diese Effekte nur auf einer Umlaufbahn um die Erde und über einen längeren Zeitraum korrekt untersucht werden könnten. Die Qualifizierung des Segels in seiner Funktion zur De-orbitierung eines Kleinsatelliten wird somit auch nach EDOD erforderlich bleiben.
Mit EDOD hoffen wir, wichtige Erkenntnisse zur Entfaltungskinematik eines Wiederstandsegels zu gewinnen. Diese Erkenntnisse könnten in nachfolgende Projekte einfließen und somit zur Lösung der Weltraummüll-Problematik beitragen.
[1] P. Seefeldt, H.-G. Reimerdes; Vorentwicklung eines Widerstandssegels 2011